Weltweit fordern Menschenrechtler ein Jahr nach dem Urteil gegen Raif Badawi die Freilassung des saudischen Bloggers - auch in Berlin. In Deutschland wird kontinuierlich an das Schicksal des Inhaftierten erinnert.
Politischen Druck aufzubauen verlangt auch Ausdauer: Seit Jahresbeginn finden - erst wöchentlich, dann 14-tägig - Proteste vor der saudi-arabischen Botschaft in Berlin statt. Die Demonstranten fordern die Freilassung des Bloggers Raif Badawi. Am 9. Januar 2014 hatte er die ersten 50 von 1000 Stockschlägen erhalten. Aus medizinischen Gründen, wie es offiziell hieß, wurde die weitere Vollstreckung der Prügelstrafe dann aber ausgesetzt. Die weltweite Empörung über das Urteil gegen Badawi habe dies bewirkt, sagt Ruth Jüttner von Amnesty International, deren Organisation die Proteste in Berlin koordiniert.
So richtig viele Demonstranten haben sich in Berlin nicht versammelt, obwohl das Datum ein besonderes ist. Vor genau einem Jahr hatte ein Strafgericht in Dschidda Badawi zu zehn Jahren Haft, 1000 Stockschlägen, einer hohen Geldbuße und weiteren Strafen verurteilt.
Bevor es richtig losgeht, reden die Organisatoren noch mit der Polizei. Auf die gegenüberliegende Straßenseite der Botschaft dürfen sich die Demonstranten nicht stellen. Eine ältere Frau erzählt stolz, dass sie schon 40 Jahre Mitglied bei Amnesty ist und regelmäßig vor die Botschaft kommt. Routiniert zieht sie sich die gelbe Amnesty-Weste über den Kopf. Sie und ein Mann gleichen Alters finden es wichtig, Präsenz zu zeigen. Die Saudis hätten sich schon beim Auswärtigen Amt über die Demos beschwert, berichten sie stolz.
Ein besonderer Tag
Zwischen 30 und 40 Personen sind da, als es losgeht. Auch eine Vertreterin der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung ist dabei und erzählt, dass sich die Stiftung aktiv an den Protesten beteilige. Plakate und Transparente werden in die Hand genommen, alle stellen sich in zwei Reihen in einem Halbkreis auf und blicken in die Kameras der Journalisten. Eine Windböe mit viel Sand im Gepäck kann sie nicht erschüttern.
Ruth Jüttner: "Brauchen eine laute Botschaft für die Freilassung von Raif Badawi"
Auf der Gegenseite kann man nicht erkennen, ob die Botschaftsmitarbeiter hinter den Fenstern stehen, da das Gebäude von einem Ornament-Gitter umgeben ist. Nur ein Mann balanciert einen Mittagskaffee ins Pförtnerhäuschen und schaut kurz zur Seite.
Ruth Jüttner von Amnesty hält eine fünfminütige Rede. Sie betont, dass heute ein besonderer Tag sei. Denn parallel finden in rund einem Dutzend Ländern Protestaktionen statt - unter anderem in Belgien, Norwegen, der Schweiz und Korea. Der 31-jährige Badawi müsse aus der Haft entlassen werden und endlich zu seiner Frau und den drei kleinen Kindern nach Kanada ausreisen dürfen. Von der Bundesregierung fordert sie Unterstützung ein - also Druck auszuüben im Namen der Menschenrechte.
Ein Brief an den König
Dann skandiert ein junger Amnesty-Kollege abwechselnd die drei zentralen Forderungen: "Freiheit für Raif Badawi", "Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht" und "No Flogging for Blogging". Die Teilnehmer folgen ihm mit nachdrücklichen Rufen und sagen, auch die Frau von Badawi, Ensaf Haidar, brauche ihre Solidarität. Sie hat einen Brief an den saudischen König Salman geschrieben und um die Freilassung ihres Mannes gebeten. Seine Meinung auszudrücken sei kein Verbrechen, wird sie in Nachrichtenagenturen zitiert.
Für die nächste Demonstration am 22. Mai sollen alle noch einmal bei Freunden und Bekannten für eine Teilnahme trommeln, sagt Jüttner. Denn dann werde Badawis Frau nach Berlin kommen und vor der Botschaft mit demonstrieren. Einen Monat später wird sie beim Global Media Forum in Bonn stellvertretend für ihren Mann den "Deutsche Welle Freedom of Speech Award" entgegennehmen.