Trotz Krise werden Junganwälte angeworben
Kein Wunder, dass dieses Konzept die Existenzsorgen der stetig wachsenden Anwaltschaft weiter fütterte. Mehr als 140.000 Advokaten gibt es mittlerweile, in den vergangenen Jahren hat sich ihre Zahl mehr als verdoppelt. Gerade für Berufsanfänger wird es immer schwieriger, sich mit der Rechtsberatung finanziell über Wasser zu halten. Nun scheint dieses Geschäftsmodell allerdings vor allen Dingen bei den Juraxx-Anwälten selbst für Aufruhr zu sorgen. Mehrere Insolvenzanträge wurden inzwischen beim Amtsgericht Dortmund eingereicht. Fakten haben die Richter allerdings noch nicht geschaffen: Es stehe noch nicht fest, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet werde, betonte ein Gerichtssprecher.
Allerdings wird es für Seniorpartner Eugen Boss auch von strafrechtlicher Seite ungemütlich. Kurz vor Weihnachten trudelte bei der Staatsanwaltschaft Dortmund die erste Strafanzeige von einem Lübecker Juraxx-Anwalt gegen ihn und andere Mitglieder der Geschäftsführung ein, im Mai folgten weitere.
Der Vorwurf: Obwohl die Kanzlei finanziell den Bach runtergehe, werbe die Geschäftsführung weiterhin junge Anwälte an, von denen jeder zum Einstieg als Gesellschafter 50.000 Euro zahlen müsse. Die Staatsanwaltschaft halte diese Argumentation „für nicht unschlüssig“ und habe deshalb ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges und Insolvenzverschleppung eingeleitet, erklärte die Dortmunder Oberstaatsanwältin Ina Holznagel. Die Strafverfolgungsbehörde wartet deshalb nun auf die Insolvenzakten vom Amtsgericht.
„Wirtschaftliche Erwartungen nicht erfüllt“
Nach Angaben der „Financial Times Deutschland“ bezeichnete ein externes Beratungsunternehmen die Situation der Kanzleikette in einem Gutachten schon Ende April als „lebensbedrohende Krise“. Das Unternehmen habe demzufolge für 29 Filialen seit zwei Monaten keine Miete mehr gezahlt. Die fälligen Verbindlichkeiten beliefen sich auf etwa 824.000 Euro. Zudem sei der Umsatz durch Kündigungen von Anwälten um mehr als 50 Prozent eingebrochen. Juraxx hingegen bestreitet die Vorwürfe.
Die aktuelle Berichterstattung in der Presse sei veranlasst von Partnern, „die ihre wirtschaftlichen Erwartungen als nicht erfüllt betrachten“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Vereinzelt haben Partnerrechtsanwälte aus persönlicher Enttäuschung versucht, Druck auf die Partnerorganisation auszuüben.“ Hierzu gehöre auch „die Mobilisierung der Presse“ noch vor der abschließenden internen Vorstellung des ausgearbeiteten Zukunftskonzeptes für das Unternehmen, die für kommenden Montag geplant sei. Nach Angaben von Frank Böker, Mitarbeiter der Juraxx-Pressestelle, befindet sich die Kanzleikette in einer Phase der Umstrukturierung, nach der die einzelnen Niederlassungen eigenständig werden sollen.
Zudem werde nicht mehr an dem ursprünglichen Konzept festgehalten, dass alle Anwälte sofort Partner und damit Geschäftsführer des Unternehmens werden. Diese Umstrukturierung sei Anfang des Jahres von allen Partnern beschlossen worden. Böker betonte außerdem, dass kein einziger Insolvenzantrag von einem Gläubiger gestellt worden sei. Er konnte sich nicht dazu äußern, ob es tatsächlich - wie in der „Financial Times Deutschland“ berichtet - fällige Verbindlichkeiten gebe.
Nicht einmal aktuelle Urteile parat gehabt
Mit schlechter Presse hatte das Unternehmen auch im Zusammenhang mit der Qualität seiner Rechtsberatung zu kämpfen. Unter der Überschrift „Flott und Falsch“ hat die Zeitschrift „Finanztest“ im März die Erfahrungen ihrer Journalisten mit Stichproben in sechs Filialen zusammengefasst. Nur einmal sei der „Finanztest“-Reporter gut beraten worden. Fünfmal sei der Rat für seine zwei Problemfälle lückenhaft oder einfach falsch gewesen. Die einzige Beratung, die „top“ gewesen sei, habe der Tester gratis bekommen.
Oft hätten die schnellen Anwälte aber nicht einmal aktuelle Urteile parat gehabt. In einem Problemfall zum Mietrecht habe es „viele gute Hinweise“ gegeben, doch alle Anwälte versäumten eine für den Fall wichtige Frage. Allerdings bringt „Finanztest“ zufolge auch eine Gegenprobe bei anderen Anwälten nicht immer das beste Beratungsergebnis.
Ob die aktuelle Entwicklung für Juraxx tatsächlich das schnelle Aus nach einer kurzen Unternehmensgeschichte bedeutet, muss sich erst noch erweisen. Ein Blick auf den Internetauftritt der Kanzleikette könnte jedenfalls als unheilvolles Omen scheinen. Am Donnerstagnachmittag hieß es dort: „Wegen Überlastung geschlossen.“