So leise und unwirklich ist dieses letzte Glimmen, daß eines Falters Flügelwehen genügt, es auszulöschen. So führt der Weg des Lebens von der Existenz, dem Greifbaren, dem Sinnlichen zur Verflüchtigung über das kurze Glimmen eines Schon-nicht-mehr-Seienden, zum vollkommenen Auslöschen, zum Vergangensein. Dies ist die Bahn des Menschen, die Vergänglichkeit ist sein Los und seine Bestimmung. Er müßte darüber verzweifeln, wäre ihm nicht das Sehen gegeben. Nachdem der Weg in Gedanken bis an sein Ende beschritten wurde, besinnt sich der Dichter nämlich darauf, daß ihm noch Augenblicke geblieben sind. Wohl ist es Abend, Lebensabend - da sollen die Augen noch einmal sehen, noch einmal trinken was die Wimper hält', denn die Welt hat goldnen Überfluß für einen richtigen Seher. Ein eindeutiges Bejahen dieses Sehens schließt das Gedicht ab, ein Ausruf aus tiefer Sehnsucht nach dem Leben und aus Liebe zu ihm geboren. Ein Ausnützen und Genießenwollen des Augenblicks: Trinkt, o Augen . ..! Das Trinken der Augen ist ein gesteigertes Sehen, ein Nicht-genug-sehen-können, ein Alles-sehen-wollen. Gleichzeitig aber bedeutet dies Sehen für Keller beschauliche Distanz zum Gesehenen, zum Objekt, es bedeutet, nicht mitten drin zu stehen im Getriebe, sondern abseits zu beobachten, ein Über-sehen des Ganzen, ein Verstehen. Nicht leben, sondern erleben, nicht fieberhafte Aktivität, sondern besinnliche Passivität als Verinnerlichung des Daseins.